Der kleinste gemeinsame Nenner – Was Arbeitgeber, Azubis und Recruiter wirklich voneinander erwarten dürfen
Die Suche nach Auszubildenden wird für viele kleine und mittlere Unternehmen zur Geduldsprobe.
Die Zahl der Bewerbungen sinkt, gleichzeitig steigen die Erwartungen: motiviert, teamfähig, sprachlich fit, digital versiert – am besten „einsatzbereit ab Tag eins“.
Doch wer genau hinsieht, erkennt: So funktioniert Ausbildung nicht. Der „perfekte Azubi“ existiert nicht – muss er auch nicht.
Denn Ausbildung bedeutet, Fähigkeiten aufzubauen – nicht, sie schon zu haben. Zwischen schulischer Vorbereitung und betrieblicher Realität liegt der kleinste gemeinsame Nenner:
die Lernbereitschaft und das Entwicklungspotenzial der Jugendlichen.
Darauf können beide Seiten realistisch aufbauen.
Schule legt das Fundament – Betriebe bauen darauf auf
Schulen fördern Basiskompetenzen: Lesen, Schreiben, Rechnen, Lernstrategien, Teamarbeit, Verantwortungsbewusstsein.
Sie vermitteln die Grundlagen und helfen Jugendlichen, sich beruflich zu orientieren – sie bereiten jedoch nicht auf konkrete Berufe vor.
Jugendliche bringen Potenzial mit, keine Berufserfahrung. Sie haben Stärken in Teilbereichen, aber selten in allen. Sie brauchen Praxisbezug, um ihre Kompetenzen zu festigen.
Für Betriebe heißt das: Wer nur nach der „idealen“ Bewerberin oder dem „vollständigen“ Azubi sucht, sucht oft vergeblich.
Erfolgreiches Recruiting erkennt Entwicklungspotenzial – nicht Perfektion.
Der kleinste gemeinsame Nenner: Entwicklungspotenzial statt Perfektion
Der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Schule und Betrieb besteht aus vier Bereichen, die sich ergänzen:
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Kompetenzfeld 4512_028412-0c> |
Schule vermittelt… 4512_10430b-ad> |
Betriebe entwickeln weiter… 4512_345040-c2> |
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Basiskompetenzen 4512_9271ec-c8> |
Lesen, Schreiben, Rechnen, Lernstrategien 4512_435fa5-b0> |
Anwendung im Berufsalltag, Fachsprache 4512_e8aba4-4e> |
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Soziale Kompetenzen 4512_1f74cf-e2> |
Teamarbeit, Konfliktlösung, Empathie 4512_615f21-1f> |
Kundenorientierung, Rollenverständnis 4512_e8a80f-57> |
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Selbstkompetenz 4512_c363ea-31> |
Eigenverantwortung, Motivation, Durchhaltevermögen 4512_29b3a3-19> |
Arbeitsdisziplin, Prioritätenmanagement 4512_f6e268-e7> |
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Digitale & Fachkompetenz 4512_dc5ca9-01> |
Grundverständnis digitaler Tools 4512_6a474f-57> |
Branchenspezifische Software, Technikpraxis 4512_ee7a74-ae> |
Wenn Basiskompetenzen fehlen – was Betriebe tun können
Natürlich gibt es Grenzen. Wer kaum lesen, schreiben oder rechnen kann, dem fehlen Grundlagen, auf denen Ausbildung aufbaut.
Aber: Das muss kein Ausschlusskriterium sein. Viele Defizite lassen sich mit gezielter Unterstützung ausgleichen – und genau hier können Förderprogramme helfen.
In Nordrhein-Westfalen (NRW) stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, die KMU entlasten und Jugendliche mit Förderbedarf begleiten:
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Programm / Angebot 4512_bfd76c-81> |
Ziel / Nutzen für Betriebe 4512_a1ba0d-6e> |
Träger / Kontakt 4512_4b111e-e7> |
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Assistierte Ausbildung (AsA flex) 4512_b8c31e-d2> |
Begleitet Jugendliche mit Lern- oder Sprachdefiziten während der Ausbildung – inklusive Stützunterricht, sozialpädagogischer Betreuung und Coaching für Betrieb & Azubi. 4512_aed989-d2> |
Bundesagentur für Arbeit → arbeitsagentur.de 4512_6f0513-c6> |
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Ausbildungswege NRW 4512_6b24c1-0e> |
Zuschüsse für Betriebe, die Jugendliche mit Vermittlungshemmnissen ausbilden; Coaching und Unterstützung im Matching-Prozess. 4512_007674-e5> |
Land NRW / ESF+ → mags.nrw 4512_92bfd5-57> |
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Bildungsscheck NRW 4512_1eeacf-17> |
Förderzuschuss (bis zu 50 %) für betriebliche Weiterbildung – kann auch zur Qualifizierung von Ausbilder:innen oder Lernbegleitung eingesetzt werden. 4512_261523-ce> |
Land NRW / ESF → dekra-akademie.de 4512_5b035c-5a> |
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Startchancen-Programm NRW (ab 2024) 4512_c7088c-3d> |
Verbesserung von Basiskompetenzen, sozial-emotionalen Fähigkeiten und Berufswahlkompetenz in Schulen – Ziel: bessere Übergänge in Ausbildung. 4512_499573-3a> |
Land NRW / Bund → mags.nrw 4512_af956f-7c> |
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Nachteilsausgleich bei LRS / Dyskalkulie 4512_c54966-2f> |
Rechtliche Möglichkeit für Auszubildende mit diagnostizierten Lernstörungen (z. B. Lese-Rechtschreib- oder Rechenschwäche), Prüfungsbedingungen anzupassen. 4512_568a0f-57> |
Berufsschule / Kammer / bvl-legasthenie.de 4512_1d15ca-92> |
Was professionelles Recruiting beitragen kann
Auch wir als Recruiter:innen tragen Verantwortung dafür, dass Ausbildung gelingt. Denn Recruiting ist mehr als das Finden von Bewerber:innen – es ist die Kunst, Potenziale sichtbar zu machen und Erwartungen realistisch zu steuern. Wir können (zusammen mit Ausbilder:innen) durch Auswahlentscheidungen bewirken, dass Schwächen eines Bewerbers (z. B. schlechte Noten, geringe Erfahrung, Sprachprobleme) nicht automatisch als Ausschlusskriterium, sondern als Ausgangspunkt für Entwicklung gesehen werden.
Das heißt:
Fazit: Der passende Azubi entsteht – er wird nicht gefunden
Der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Arbeitgebern und Azubis heißt Vertrauen in Entwicklung.
Nicht alle Kompetenzen müssen zu Beginn vorhanden sein. Entscheidend ist, dass beide Seiten bereit sind, daran zu arbeiten.
Für KMU bedeutet das: weniger Forderungen, mehr Förderung – weniger Perfektion, mehr Perspektive – weniger Bewerbungsfilter, mehr Potenzialblick. Wer jungen Menschen die Chance gibt, Fähigkeiten zu entfalten, investiert nicht nur in Fachkräfte, sondern in die Zukunft des eigenen Unternehmens.
